Von Aschau am Chiemsee zum Lago di Santa Croce (Belluno) 24.7.-28.7.1999
Die diesjährige Alpenüberquerung per Bike wurde, wie im letzten Jahr auch, von Volli ausgearbeitet. Im Gegensatz zum letzten Jahr hat er als Vorlage keine bereits beschriebene Tour gewählt, sondern versucht, einen völlig eigenen Weg zu finden. Startort sollte Aschau am Chiemsee, das Ziel der Lago di Santa Croce bei Belluno in Italien sein. Der Beginn der Tour war am 24.7., das Ziel sollte am 28.7. erreicht sein. Zusätzlich dabei war diesmal auch Jürgen Schoch, ein alter Freund von Volker und ein gemeinsamer Laufkumpel von diversen Marathons in den letzten Jahren. Das Erreichen des Zieles bis spätestens Mittwochabend war für alle aus unterschiedlichen Gründen wichtig: Volli wollte wie immer bis Sonntagabend per Rad wieder zu Hause sein, Jürgen wollte am kommenden Samstag, den 31.7. den Swiss – Alpin – Marathon in Davos laufen und brauchte unbedingt die zwei zwischenliegenden Tage, um a) nach Davos zu kommen und b) sich noch ein bisschen vor dem Lauf auszuruhen, und ich war mit Isi, Joa, Wilfried, Uli und Geli sowie ein paar Freunden von Wilfried ab Donnerstagabend zu einem Wanderwochenende im Engadin verabredet.
Samstag, den 24.7.99: 1. Etappe - Von Aschau nach Söll / Wilder Kaiser, 76 km, 2300 hm
Es hat aufgehört zu regnen. In München sind bereits ein paar blaue Flecken am Himmel auszumachen. In den Bergen ist es anfangs noch bedeckt, später reißt es immer mehr auf. Kein Regen. Treffpunkt mit Volli und Jürgen ist der Fahrradwagen im Zug nach Salzburg um 6 Uhr 30. Jürgen hatte ich schon ein paar Jahre nicht mehr gesehen. Er hat inzwischen fertig studiert und arbeitet als Biologe (Dr. rer. Nat.) bei einer Firma in München, die medizinische Tests entwickelt und herstellt. Schon nach ca. 300 m ist klar, dass es jetzt in die Berge geht. Immer im kleinsten Gang rauf auf die Kampenwand, d.h. 900 hm in 2 ½ Stunden. Oben am Gipfel dann schon die erste planerische Panne. Eigentlich sollte nach Volli’s Plan ein Fahrweg ins Tal führen, statt dessen kommt auf die ersten 300 hm eine nasse, rutschige Rinne, die uns zum Tragen der Räder zwingt. Nicht mal schieben ist möglich. Nass und verdreckt schon auf der ersten Etappe – das fängt ja gut an. Die anschließende Abfahrt ins Tal führt dann nach Schleching. Hier ist es bereits kurz vor 12 und ich muss mir noch in einem Sportgeschäft eine Wanderhose kaufen, weil ich in München meine Jeans zurückgelassen habe und deshalb keine lange Hose für den Abend dabei habe. Weil die Klamotten inzwischen patschnass sind, sind auch noch ein paar Socken fällig, die getragenen bleiben gleich im Mülleimer im Sportgeschäft zurück. Entgegen der ursprünglichen Planung, mitten durch das Bergmassiv des Wilden Kaiser zu radeln, incl. Klettersteig und anderen Sauereien, wollen wir diesen jetzt umfahren, nicht ohne aber vorher noch einen anderen Buckel zu packen. Den Übergang über die grüne Grenze nach Österreich nehmen wir daher schiebend und tragend in Angriff. Dafür gibt’s dann auf der Österreichischen Seite einen langen Downhill auf Schotterpisten runter ins Inntal. Kaum gestartet (ca. 50 m nach Aufsetzen des Helms) kommt für mich der typische 1. – Tag – Sturz. Weil ich an drei Fußgängern vorbei radeln will und deshalb auf den Rand ausweichen muss, gerate ich in eine tiefe Regenrinne, die in einem Loch endet. Ein abrupter Stopp, das Rad kommt hinten hoch, ich spüre noch, wie sich die Klickpedale in der Luft bzw. beim Aufschlag lösen. Nur eine kurze Schrecksekunde später geht’s dann weiter. Keine Blessuren, keine Panne am Rad. Die anderen beiden haben gar nichts gemerkt, weil ich hinten gefahren bin. Im Inntal geht’s auf dem Inntal – Radweg nach Kufstein. Dort verlassen wir das Inntal wieder. Ab hier führt der Weg wieder nach oben in den Skiort Söll mit dem Berg Hohe Salve. Dort nehmen wir zum Tagesabschluss noch die 400 hm bis zum Berghotel Gruberhof. Dort angekommen, gibt’s eigentlich nur angenehme Überraschungen: Halbpension mit einem tollen Essen für 40 DM, für jeden ein eigenes Zimmer. Leider ist ansonsten gar nichts los dort. Meine Mitradler schwächeln bereits am ersten Abend ab. Volli geht um halb neun ins Bett und ich muss mein Weizenbier allein trinken. Und Jürgen ist sowieso Abstinenzler.
Sonntag, den 25.7.99. 2. Etappe – Vom Gruberhof zum Enzingerboden, 95 km, 3000 hm
Wetter: Warm und wenige Wolken.
Nach einem reichlichen Frühstück (wir räumen auch ordentlich ab für den Tag), geht’s dann gleich wieder 500 hm hoch. Hier erfolgt der Übergang in Richtung Kitzbühel. Nach einer langen Abfahrt ins Tal erreichen wir den Hahnenkamm mit der berühmten Streif und haben jetzt einen Anstieg von 1000 hm vor uns. Der untere Teil liegt im Wald und bietet wenigsten einigermaßen Schatten. Mittagspause machen wir auf halber Höhe auf der Fleckalm. Anstatt aber auf die Terrasse zu sitzen und mal etwas anderes als dieses langweilige Wasser aus der Flasche zu trinken, ziehen es meine sparsamen Mitradler vor, lieber ein paar Meter von der Hütte weg zu rasten. Nach Erreichen des Gipfels (1800 m) eine kurze Abfahrt, danach nochmals ein Anstieg auf den Pengelstein (1900 m). Ab hier geht’s auf der Schotterpiste 1100 hm runter bis nach Jochberg (800 m), wo der Weg in den Pass Thurn einmündet. Die Passstraße führt relativ flach wieder bis auf 1300 m. Dort verlassen wir diese und folgen dem ausgewiesenen Mountainbike – Trail nach Mittersil. Dieser Trail bietet ein paar eklige Gegenhänge. Nach einer kurzen Rast in Mittersil an einer Tanke fahren wir ein kurzes Stück noch der Hauptstraße entlang nach Uttendorf und danach links ab in das Tauern – Gebiet. Zum Tagesabschluss folgt jetzt der übliche lange Anstieg, von 800 auf 1500 m zum Enzingerboden. Dies ist der Ausgangspunkt für die Überquerung des Alpenhauptkammes über die Hohen Tauern am nächsten Tag. Wir übernachten bei Wirt Rolf, ich labe mich am Weißbier, meine Kumpels mit einem Apfelschorle. Zum Essen gibt es eine ordentliche Portion Spaghetti. Um 9 Uhr gehen die beiden ins Bett und ich habe Muße, meine Aufzeichnungen zu beginnen.
Montag, den 26.7.99: 3. Etappe – Vom Enzingerboden nach Abfalterbach, 87 km, 1100 hm
Wetter: Fast wolkenlos, sehr warm. Der Tag beginnt wie üblich mit einem steilen Anstieg. Diesmal zum 2000 m hoch gelegenen Stausee oberhalb des Enzingerboden. Nach einer imposanten Fahrt über die Staumauer und einer kurzen Fahrt am See entlang, endet der Weg. Jetzt gibt es nur eines: Tragen. Es wird ziemlich heftig. Seilsicherungen und als Höhepunkt eine ca. 4 m hohe Leiter. Die Räder müssen jeweils zu zweit hoch gehievt werden. Wir kommen nur sehr langsam voran und sind schon ziemlich fertig, als wir endlich die Rudolfshütte auf 2300 m erreichen. Von hier haben wir die Wahl, mit dem Sessellift weiter auf den Gipfel (2600 m) zu fahren oder den Rest auf den Kamm (2550 m) auch noch hoch zu schieben. Wir entscheiden uns für den Sessellift, löhnen dafür 100 ÖS und ärgern uns dafür über den anschließenden Abstieg über große Felsblöcke zum Kamm. Dafür hätten wir auch hoch schieben können. Vor uns liegen jetzt einige ausgedehnte Schneefelder. Nach einer anfänglichen Unsicherheit nutzen wir aber die Gelegenheit und steuern uns und die Räder unter lautem Gejohle sicher die Schneefelder runter. Das gibt zwar nasse Füße, macht aber riesig Spaß. Ca. 150 hm überwinden wir auf diese Weise, danach ist es vorbei mit dem Spaß. Wieder tragen. Es scheint kein Ende zu nehmen. Der See unter uns, zum Greifen nahe, scheint nicht näher zu kommen. Als wir ihn endlich doch erreichen, versperrt uns eine ziemlich breiter Felsbruch den weiteren Weg. Also weiter tragen. Nach einer Schiebe – und Tragezeit von ca. viereinhalb Stunden erreichen wir endlich den fahrbaren Weg kurz vor dem Kalser Tauernhaus. Es ist bereits halb Vier und auf dem Tacho sind erst ca. 14 – 16 km drauf. Wir sind ziemlich geschafft. Nach einer kurzen Pause im Tauernhaus dann endlich der ersehnte lange Downhill. Zunächst auf Schotter, danach auf breiter Teerstraße geht’s hinunter nach Osttirol. Kurz vor Kals noch der Geschwindigkeitsrekord. Am Orteingang muss ich bei 79,3 km/h auf dem Tacho abbremsen. Was für eine Fahrt. Auch danach gibt’s noch einige absolute Highlights. Wie im Rausch schwingen wir durch die Kurven. In Huben erreichen wir die Bundesstraße, die über die Felbertauern – Route nach Osttirol führt. Im Tal bläst uns ein ziemlicher Gegenwind entgegen, als wir uns auf den weiteren Weg in Richtung Lienz machen. Wir sind auf einem schönen Radweg entlang der Isel, als vor uns ein Rennradler in den Weg einbiegt. Wir setzen sofort nach und nutzen seinen Windschatten, was natürlich sofort dazu führt, dass der Bursche genervt ist und versucht, uns abzuschütteln. Nach einem kurzen beruhigenden Gespräch hat er sich dann an uns gewöhnt und zieht uns bis nach Lienz. Dort erklärt er uns noch den weiteren Weg und verschwindet. Wir biegen jetzt ein ins Pustertal und folgen der Drau nochmals 300 hm nach oben bis nach Abfolterbach, wo wir die Nacht verbringen wollen. Auch hier herrscht absolut tote Hose. Wir übernachten in einer Pension. Die Essensaufnahme gestaltet sich ungemein schwierig. In zwei Kneipen gibt’s nur noch kalte Küche, die dritte hat eigentlich schon zu. Trotzdem erklärt sich die Wirtin bereit, für uns nochmals aufzumachen und uns zu bekochen. Das passt ihrem Alten zwar nicht ganz, aber uns ist es letztendlich egal. Hauptsache den Magen voll und der Abend gerettet.
Dienstag, den 27.7.99: Von Abfolterbach nach Ampezzo, 100 km, 2700 hm
Wetter: Leicht bewölkt, sehr warm.
Nach weiteren 5 km der Drau entlang folgt der morgentliche Anstieg, diesmal ins Gailtail., von 1000 hm auf 1500 hm, danach eine kurze Abfahrt auf 1400 hm. Wir verlassen jetzt wieder die Hauptstraße und steuern bergauf zum Tilliacher Joch auf 2100 m. Der Anstieg ist relativ angenehm, nicht zu steil, nicht zu schotterig. Bei 1900 m ist allerdings Schluss mit Radeln. Die Berghütte, die zufällig an dieser Stelle steht, wird natürlich von meinen Begleitern ignoriert. Die letzten 200 hm bis zum Joch wird jetzt wieder getragen. Am Joch ist die italienische Grenze erreicht. Nach einer kurzen Vesperpause beginnt die Abfahrt nach Italien. Man merkt es schon am Zustand des Weges, dass man nicht mehr in Österreich oder Deutschland ist: Die Schotterpiste ist einfach eklig. Grobes, scharfkantiges Geröll. Unterwegs wird es dann etwas besser, als die Piste in einen anderen Almweg einmündet. Grenzübergang Tilliacher Joch, 2100 müm Das Tal erreichen wir kurz vor Stefano di Cadore bei ca. 800 m, von wo wir nach einer kurzen Fahrt auch gleich wieder abbiegen auf die Passstraße zum Furcola di Lafradet. Schon kurz nach dem Ortsschild weist uns ein Schild darauf hin, dass die Straße für den Verkehr gesperrt ist. Ein Sandhaufen auf der Straße, auf dem schon die Blumen blühen, zeigt uns, dass dies schon eine ganze Weile der Fall ist und dass sich der Zustand auch so schnell nicht ändern wird. Kurz danach wird die Straße wieder zur Schotterpiste. Offensichtlich wurde sie bei einem Unwetter vom Fluss weggerissen und danach nicht mehr repariert. Später erreichen wird dann ein Stück mit schön ausgebauten Serpentinen. Der Ausbau endet aber abrupt wieder in einer weiteren Schotterpiste. Offensichtlich war gerade mal Geld da für einen Ausbau und dann ist eine Wahl dazwischengekommen, bei der dann die anderen gewonnen haben. Kurz nach der Passhöhe mündet unser gesperrter Pass in einen anderen Straßenpass, auf dem wir noch ein paar Höhenmeter zurücklegen, bis wir dann 1800 m und den Abzweig zum Lago di Sauris erreichen. Diese Strecke ist lt. Karte mehrmals durch einen Erdrutsch unterbrochen und ebenfalls für den Verkehr gesperrt. Kurz danach wird unsere Fahrt unterbrochen, weil Bauarbeiter gerade einen Graben aufgerissen haben. Wir müssen warten, bis er wieder zugeschüttet ist und können dann weiter. Kurz vor dem Lago di Sauris will Volli schon Feierabend machen. Eigentlich ungewöhnlich: Es ist erst halb sechs. Bis dahin hat V. immer behauptet, daß die letzte Etappe eigentlich nur eine Halb – Tagesetappe wäre und wir bereits am nächsten Nachmittag am See liegen würden. Weil Jürgen aber möglichst schon am Mittwoch Abend in Richtung Davos weiterfahren will und der Einschätzung von V. für den nächsten Tag nicht traut, möchte er noch ein Stück weiterfahren und zumindest den nächsten Pass noch nehmen. Also fahren wir weiter und erklimmen den Passo Pura mit weiteren 500 hm. Wir sind inzwischen in einer Gegend, die völlig menschenleer zu sein scheint. Keine Turis, kein Berufsverkehr – nichts. Auf der ganzen Passstraße begegnen uns nur zwei Autos und ein Wohnmobil. Nach erreichen der Passhöhe auf 1500 m gibt’s zum Abschluss des Tages noch einen geilen 1000 m - Downhill nach Ampezzo (500 m). In Ampezzo steuert V. gleich wieder die erstbeste Albergo an und bucht auch gleich ein 3- Bett-Zimmer. Dafür sucht er sich auch noch das schlechteste Bett aus und ärgert sich hinterher fürchterlich. Zum Abendessen landen wir in einem Hotel – Restaurant, wo es außer dem Hotelmenü nichts anderes gibt. Wir lassen uns dieses aufschwatzen und ärgern uns hinterher über die Preise und die Fleischportionen (V.‘s Gulasch besteht aus 3 Fleischstücken, die Schnitzel von J. und mir sind wie erwartet papierdünn.) Die Nacht ist furchtbar laut. Unser Hotel liegt direkt in einer Kurve und das Zimmer direkt zur Straße. Dafür gibt’s wenigstens als Absacker noch ein Hefe und sogar V. kann sich jetzt zu einem hinreißen lassen. J. bleibt beim Wasser.
Mittwoch, den 28.7.99: Von Ampezzo zum Lago di Santa Croce, 126 km, 2500 hm
Wetter: Stark bewölkt, unterwegs einzelne Gewitter, der Regen findet aber immer gerade woanders statt. Um es vorweg zu nehmen. Von wegen halbe Etappe. Mit 126 km wird dies die Königsetappe der Tour. Nach dem Frühstück und dem obligatorischen Proviantkauf für den (halben) Tag beginnt der Tag mit dem Anstieg zum Passo Rest auf 1000 m. Die anschließende Abfahrt führt nach Meduno (300 m), wo wir die Abzweigung zum nächsten Pass zunächst übersehen, weil wir an dieser Stelle wahrscheinlich gerade fotografiert haben. Also wieder ein paar Kilometer zurück. Für dieses Teilstück hat Volli keine Karte. Wir sind auf die Straßenkarte von J. angewiesen. Während des folgenden Aufstieg werden die Wolken in den Bergen immer bedrohlicher, ein leichtes Grollen lässt sich immer wieder hören. V. vergisst Freund und Feind und ‚flüchtet‘ den Berg hinauf. Wenigstens wartet er dann wieder auf der Passhöhe. Wir riskieren die Abfahrt noch bis zum nächsten Dorf, dort stellen wir uns dann in einem Rohbau unter, weil wir jeden Augenblick den Regen erwarten. Weiter unten im Tal regnet es schon. Nachdem es nach einer halben Stunde bei uns aber immer noch trocken ist, machen wir auf wieder auf den Weg und kommen beim Lago di Barcis (400 m) tatsächlich auf nasse Straßen. Aber es hat bereits wieder aufgehört zu regnen. Glück gehabt. Dafür beginnt jetzt ein erneuter Anstieg. Vom Ende des Lago di Barcis führt die Passstraße in die Skistation Piancavallo auf 1200 m. Unterwegs geht J. und mir tatsächlich noch das Wasser aus. Bisher hatten wir keine Schwierigkeiten, weil es in den Nordalpen überall Wasser im Überfluss gibt und ständig ein Bergbach in der Nähe ist. Diesmal aber ist es furztrocken und wir sind ziemlich leer, als wir in Piancavallo ankommen. Nach einer kurzen Ess – und Trinkpause nehmen wir gleich den nächsten Anstieg in Angriff. Nochmals 300 hm auf einem ziemlich herben Schotterweg, der jetzt von Ost nach West am letzten Alpenkamm entlangführt. Das relativ trübe Wetter hindert uns an einem Ausblick auf das flache Land im Süden. Endlich dann eine lange Abfahrt ins Tal. Jetzt nur noch ein paar Km und ein kurzer Anstieg auf einer gut ausgebauten Talstraße, dann der letzte Downhill von 1000 m zum Lago di Croce auf 400 m. Um halb neun am Abend erreichen wir den See und haben jetzt insgesamt 484 km auf dem Tacho. Inzwischen ist es für J. natürlich zu spät, um noch weiterzufahren, also übernachten wir alle in einem kleinen Hotel am See. Diesmal wieder im Doppel – und Einzelzimmer. Die anschließende Pizza ist ok. Jürgen verabschiedet sich bereits, weil er nächsten Morgen sehr früh nach Belluno zum Bahnhof will. V. hat sich entschlossen, noch einen Abstecher nach Venedig zum machen, um dann von dort aus die Heimreise zu starten.
Donnerstag, den 29.7.99: Vom Lago di S. Croce nach Sur En / Engadin
Wetter: wechselhaft, meistens schwach bewölkt, angenehme Temperatur. Unterwegs immer mal wieder ein Regenschauer, der mich aber nicht trifft, weil ich gerade im Zug oder Bus sitze. Heute trennen sich unsere Wege. Für mich habe ich einen Ruhetag auf der Fahrt ins Engadin eingeplant. Jürgen ist bereits weg, als V. und ich aufstehen. Nach dem Frühstück startet V. in Richtung Venedig, ich mache mich auf nach Belluno (18 km). Ich hoffe, dort einen Bus zu erreichen, der nach Trento fährt. Kurz vor neun bin ich dort, finde auch gleich den Busbahnhof und den Fahrkartenschalter. Mit ein paar Brocken Englisch erklärt mir der Ticketverkäufer, dass der Bus nur bis Feltre (ca. 30 km) geht und ich dort in den Bus nach Trento umsteigen muss. Er hilft mir sogar anschließend noch beim Einsteigen in den Bus, weil ich das Rad nicht unten verstauen kann sondern in den Gang stellen muss. Um 10 Uhr bin ich in Feltre und stelle fest, dass der Bus nach Trento erst um ein Uhr geht. So ein Mist. Ich entscheide mich, mit dem Rad weiterzufahren und dann eben unterwegs in den Bus einzusteigen, wenn ich bis dahin nicht mit anderen Verkehrsmitteln nach Trento gekommen bin. 15 km nach Feltre endet die Fahrt an einem 3 km langen Straßentunnel. Weil die italienischen Tunnel in der Regel unbeleuchtet und eng sind, scheue ich mich vor der Durchfahrt und versuche, 200 m vor dem Tunnel zu trampen. Ich hoffe auf viele Transporter und Pritschenwagen und muss leider feststellen, dass plötzlich fast kein Verkehr mehr herrscht und vor allem solche Fahrzeuge fehlen, die ich brauche. Kein Schwein hält und ich setze mir eine Deadline, an der ich wieder nach Feltre zum Bus zurückfahren muss. Und soweit kommt es auch. Um eins steige ich in den Bus, nicht ohne vorher noch trouble mit dem Fahrkartenverkäufer zu haben, der nicht weiß, ob ich das Rad im Bus mitnehmen kann. Der Bus fährt gerade 8 km weit, als ich in den nächsten Bus umsteigen muss. So ein Sch.... Mit diesem komme ich dann durch den Tunnel und stelle fest, dass ein breiter Randstreifen und vor allem eine ausreichende Beleuchtung im Tunnel vorhanden ist. Und zu allem Überfluss fährt der Bus nach dem Tunnel einen Bahnhof an, an dem die Fahrt wieder endet und ich in den Zug umsteigen muss. Ich raste schier aus. Dieser blöde Fahrkartenverkäufer. Kann man ja nichts machen. Also jetzt endlich weiter nach Trento. Dort umsteigen nach Bozen. Ich lasse dann noch kurz meine Sonnenbrille am Kiosk liegen, als ich eine Stuttgarter Zeitung kaufen will. Es ist zum heulen. In Meran wieder umsteigen in den Bus zum Reschenpass und dann hunderttausend Haltestellen anfahren. Es wird immer später. Am Reschensee steige ich an der Endhaltestelle Reschen – Dorf aus. Es ist halb neun und dämmert bereits. Weil ich noch über die Schweizer Grenze muss und ich kein Vorderlicht am Fahrrad habe, radle ich wie ein Irrer den Reschenpass runter, um wenigstens bei einigermaßen Tageslicht die Grenze zu erreichen. Natürlich reicht es mir nicht mehr. Es ist ziemlich dunkel, als ich endlich am Grenzübergang Martina ankomme. Mit einem ‚Wohin des Weges, so ohne Licht‘ begrüßen mich die beiden Grenzer und sind sich einig, mich so nicht mehr weiterfahren zu lassen. Schließlich fährt ein Münchner LT an die Grenze und der Zöllner fragt den Fahrer, ob er mich ein Stück mitnehmen kann. Er kann und kennt sogar die Stelle, an der ich raus muss. Wieder mal Glück gehabt. Um kurz vor Zehn erreiche ich das Hotel D’Uina in Sur En, genehmige mir gleich ein Hefe und warte auf die Ankunft meiner Wanderfreunde. Kaum geduscht, schon sind sie da. Im Gegensatz zur bisheriger Tour kommt jetzt das Rahmenprogramm in die Gänge, d.h. die Weizenbiere und sonstigen Getränke fließen reichlich, die Stimmung ist entsprechend locker. Womit auch schon der fließende Übergang zum 2. Teil der Reise hergestellt wäre.